Einleitung: Die Debatte um die Wasserstoffregulierung

Als Landtagsabgeordneter der Partei DIE LINKE in Thüringen verfolge ich die Diskussionen um die EU-Gasrichtlinie und den Hochlauf des Wasserstoff-Marktes genau. Die Geode, der europäische Verband der unabhängigen Strom- und Gasverteilnetzbetreiber, warnt in einer Pressemitteilung vor einem schlechten Kompromiss, der den Wasserstoff-Hochlauf in Deutschland massiv behindern könnte. In diesem Blogbeitrag möchte ich die Problematik näher erläutern und einige Vorschläge aus dem Thesenpapier zum Thema Wasserstoff der unserer Fraktion im Thüringer Landtag vorstellen.

Laut einer Studie von Agora Energiewende hat Wasserstoff das Potenzial, bis 2050 etwa 24 % des europäischen Energiebedarfs zu decken. In Deutschland könnte Wasserstoff bis zu 10 % des Endenergieverbrauchs ausmachen, wobei der Verkehrssektor und die Industrie die Hauptabnehmer wären (Agora Energiewende, 2020). Im Jahr 2020 wurden etwa 0,7 Millionen Tonnen Wasserstoff produziert, wovon nur 4 % aus erneuerbaren Energien stammten (BloombergNEF, 2021).

 I. Der politische Hintergrund des schlechten Kompromisses und seine Folgen

Die Entscheidungen, die auf europäischer Ebene getroffen werden, beeinflussen direkt die nationale Energiepolitik und die Möglichkeiten für die Energiewende in Deutschland. Als Mitglied der Partei DIE LINKE setze ich mich für eine ökologisch und sozial gerechte Energiepolitik ein, die die Interessen der kommunalen Versorger und der Verbraucher*innen in den Vordergrund stellt.

Laut einer Studie von Fraunhofer UMSICHT werden bis 2030 in Deutschland rund 90 TWh Wasserstoff benötigt, um die Klimaziele der Bundesregierung zu erreichen.

Der schlechte Kompromiss, den Geode kritisiert, zeigt jedoch, dass die Bundesregierung nicht ausreichend auf die Belange der kommunalen Versorger achtet:

    1. Die Pflicht zur eigentumsrechtlichen Trennung von Erdgas- und Wasserstoffnetzen soll zugunsten der Fernleitungsnetzbetreiber entschärft werden, indem das ITO-Modell entfristet wird. Das ITO-Modell (Independent Transmission Operator) ist ein Regulierungsansatz innerhalb der EU-Gas- und Strommärkte, der darauf abzielt, Diskriminierung und Wettbewerbsverzerrungen zwischen den verschiedenen Marktteilnehmern zu verhindern. Es bezieht sich auf die Trennung von Netz- und Marktaktivitäten innerhalb eines Energieunternehmens, ohne jedoch die eigentumsrechtliche Entflechtung zu erfordern.
    2. Für lokale Energieversorger soll der zeitlich befristete Betrieb von geographisch abgegrenzten Wasserstoffnetzinseln ermöglicht werden.

Die Deutsche Energie-Agentur (dena) schätzt, dass Deutschland bis 2050 ein Wasserstoffnetz von etwa 1.200 Kilometern Länge benötigt.

Statistiken zeigen, dass lokale und regionale Verteilnetzbetreiber in Deutschland eine Schlüsselrolle spielen. Sie betreiben rund 97 % der Gasnetzlänge und versorgen etwa 80 % der Gasverbraucherinnen (BDEW, 2020). Die Benachteiligung dieser Betreiber durch die vorgeschlagenen Kompromisse könnte somit erhebliche Auswirkungen auf den Zugang der Verbraucherinnen zum Wasserstoffmarkt haben.

Diese Entscheidungen gefährden den schnellen Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur und benachteiligen regionale und lokale Verteilnetzbetreiber.

II. Die politische Verantwortung: Stadtwerke und Kommunen stärken

Als politischer Vertreter der Partei DIE LINKE ist es meine Aufgabe, die Interessen der Bürger*innen, Stadtwerke und Kommunen im Fokus zu halten. Die aktuellen Entscheidungen im Bereich der EU-Gasrichtlinie haben jedoch negative Auswirkungen auf diese Akteure. Der schlechte Kompromiss verhindert eine erfolgreiche Energiewende und schadet der flächendeckenden Versorgung kleinerer Industrieanlagen und Gewerbebetriebe.

Um den Hochlauf des Wasserstoff-Marktes zu unterstützen und die Energiewende voranzubringen, müssen wir uns politisch dafür einsetzen, dass:

    1. Die kommunalen Energieversorgungsunternehmen von den überbordenden Entflechtungspflichten konkret ausgenommen werden.
    2. Eine strukturelle und integrierte lokale Gasnetzplanung gewährleistet wird.

In Deutschland gibt es über 900 kommunale Energieversorgungsunternehmen, die für rund 60 % der Strom- und Gasversorgung verantwortlich sind (VKU, 2020). Diese Unternehmen sind essenziell für die Energiewende und die Umsetzung einer nachhaltigen Energiepolitik.

III. Handlungsempfehlungen zum Thema Wasserstoff

In unserem Thesenpapier zum Thema Wasserstoff haben wir verschiedene Punkte zusammengefasst, die eine nachhaltige und effiziente Nutzung von Wasserstoff ermöglichen. Einige dieser Punkte sind auch im Kontext der aktuellen Debatte um die EU-Gasrichtlinie relevant. Um eine erfolgreiche Energiewende und einen effektiven Hochlauf des Wasserstoff-Marktes zu erreichen, sollten wir uns politisch für folgende Aspekte einsetzen:

    1. Fokus auf „grünen“ Wasserstoff, der aus erneuerbaren Energien gewonnen wird, um ökologische Nachhaltigkeit sicherzustellen.
    2. Förderung von Wasserstoffproduktion aus überschüssiger Energie, um ökonomische Effizienz zu gewährleisten.
    3. Integration von Wasserstoff in das Erdgasnetz als Speichermedium überschüssiger Energie
    4. Integration von Wasserstoff in das Erdgasnetz als Speichermedium überschüssiger Energie und zur Optimierung der bestehenden Infrastruktur.
    5. Schaffung einer entsprechenden Abnehmerstruktur für die sinnvolle Produktion von Wasserstoff, insbesondere im industriellen Bereich und in bestimmten Mobilitätssektoren wie Flug- und Schiffsverkehr.
    6. Förderung der Forschung und Entwicklung im Bereich Wasserstoff in Thüringen, um einen wichtigen Standortvorteil zu sichern und den technologischen Fortschritt voranzutreiben.
    7. Unterstützung von Leuchtturmprojekten und Vernetzung von Wasserstoffinitiativen auf regionaler und kommunaler Ebene, um eine ganzheitliche Transformationsstrategie zu ermöglichen.

Um die Umstellung auf Wasserstoff erfolgreich zu gestalten, ist es wichtig, den Anteil von grünem Wasserstoff deutlich zu erhöhen. 2020 lag der Anteil von grünem Wasserstoff, der aus erneuerbaren Energien gewonnen wird, bei nur etwa 1 % der weltweiten Wasserstoffproduktion (IEA, 2020). Durch eine gezielte Förderung der grünen Wasserstoffproduktion könnten wir diesen Anteil signifikant steigern. Prognosen zufolge könnte die globale grüne Wasserstoffproduktion bis 2030 auf rund 8,7 Millionen Tonnen ansteigen (BloombergNEF, 2021).

Fazit: Politische Verantwortung wahrnehmen

Als Landtagsabgeordneter der Partei DIE LINKE aus Thüringen liegt es in meiner Verantwortung, mich für eine ökologisch und sozial gerechte Energiepolitik einzusetzen. Im Zuge der aktuellen Debatte um die EU-Gasrichtlinie und den Wasserstoff-Hochlauf müssen wir die Interessen der kommunalen Versorger und der Verbraucher*innen stärken und uns für eine nachhaltige und effiziente Nutzung von Wasserstoff einsetzen. Die politischen Entscheidungen auf europäischer und nationaler Ebene haben direkte Auswirkungen auf unsere Energiewende und die Zukunft unserer Stadtwerke und Kommunen.

Deshalb ist es entscheidend, dass wir die Vorschläge des EU-Parlaments unterstützen, um regionale und lokale Verteilnetzbetreiber zu stärken und eine integrierte lokale Gasnetzplanung zu gewährleisten. Gleichzeitig sollten wir uns für die Umsetzung der Handlungsempfehlungen aus meinem Thesenpapier engagieren, um den Hochlauf des Wasserstoff-Marktes zu fördern und die Energiewende erfolgreich voranzutreiben.

Als politischer Vertreter werde ich mich weiterhin dafür einsetzen, dass die Stimmen der Bürger*innen, Stadtwerke und Kommunen gehört werden und dass wir gemeinsam eine nachhaltige, effiziente und sozial gerechte Energiezukunft gestalten können.

Hauptforderungen und das THEEN-Netzwerk in Thüringen: 

    1. Kommunale Energieversorgungsunternehmen von überbordenden Entflechtungspflichten ausnehmen: Es sollte sichergestellt werden, dass lokale und regionale Verteilnetzbetreiber in der Wasserstoffinfrastruktur unterstützt werden und nicht durch übermäßige Regulierungen benachteiligt werden. In Thüringen unterstützt das GREAT H2-Projekt die Entwicklung von Demonstrationsvorhaben zur Nutzung von grünem Wasserstoff in der Industrie, einschließlich aller Produktionsschritte von der Erzeugung bis zur Verwendung in Produktionsprozessen.
    2. Integrierte lokale Gasnetzplanung gewährleisten: Eine strukturierte und zusammenhängende Planung von Gasnetzen auf lokaler Ebene sollte gefördert werden, um den Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur effizient und zielgerichtet voranzutreiben. Im Rahmen des Theen Netzwerks engagiert sich Thüringen in der methodischen Identifikation von neuen Direkt-Nutzungskonzepten und Geschäftsmodellen für erneuerbare Energien zur Herstellung von Wasserstoff.
    3. Fokus auf grünen Wasserstoff: Die politische Förderung sollte darauf abzielen, den Anteil von grünem Wasserstoff, der aus erneuerbaren Energien gewonnen wird, signifikant zu erhöhen, um ökologische Nachhaltigkeit sicherzustellen. Das GREAT H2-Projekt in Thüringen konzentriert sich auf die Nutzung von grün-erzeugtem Wasserstoff in Hochtemperaturanwendungen wie Schmelz-, Sinter- und Brennprozessen.
    4. Förderung von Forschung und Entwicklung im Bereich Wasserstoff: Investitionen in Forschung und Entwicklung von Wasserstofftechnologien sollten unterstützt werden, um technologischen Fortschritt zu ermöglichen und regionale Standortvorteile zu sichern. Im Rahmen von GREAT H2 werden in Thüringen wirtschaftlich attraktive und technisch geeignete Nutzungsformen in Industrieanwendungen identifiziert, analysiert und für eine Realisierung vorbereitet.
    5. Unterstützung von Leuchtturmprojekten und Vernetzung von Wasserstoffinitiativen: Die Zusammenarbeit zwischen regionalen und kommunalen Wasserstoffprojekten sollte gefördert werden, um eine ganzheitliche Transformationsstrategie für die Energiewende und den Hochlauf des Wasserstoff-Marktes zu ermöglichen. Im Theen Netzwerk und GREAT H2 werden in Thüringen Demonstrationsvorhaben erarbeitet, die besonderes Augenmerk auf Wirtschaftlichkeit, Potenzial der CO2-Reduktion und Demonstrationswirkung legen.